“Freude”. In goldenen Buchstaben auf weinrotem Hintergrund leuchtet mir das Wort entgegen – auf einem Buch, das ich als Geschenk gekauft habe. Für wen, verrate ich nicht. Nachher liest er oder sie diese „Gedanken zum Tag“, und dann ist die Überraschung dahin. Aber “Freude”? Ein wenig seltsam und unpassend mutet dieses Wort schon an in diesen Tagen. Bedeckt und müde ist die Stimmung in dieser Adventszeit, von Sorgen und Ängsten bestimmt.
Ich nehme mir vor, gerade deshalb noch bewusster darauf zu achten, wo es Gründe zur Freude für mich gibt. Das Video von unseren Enkelkindern in einer Badewanne voller Schaum, das unsere Tochter uns schickt. Die lebhafte Schar von Blaumeisen, Kohlmeisen und Kleibern, die unser Futterhaus auf dem Balkon plündern. Die Nachricht in der Zeitung, dass die Spendenbereitschaft in Deutschland auch in diesem Jahr nicht gesunken ist. Und noch etliches mehr. Vielleicht schreibe ich mir einfach mal ein paar Freudenmomente auf? Damit ich sie nicht vergesse in diesen Tagen.
Das Wort “Freude” klingt auch aus der Heiligen Nacht zu uns herüber. Der Engel, der den Hirten die Geburt des Gotteskindes verkündet, fasst seine Verkündigung mit diesem einen Wort zusammen: “Fürchtet euch nicht, siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird, denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids.” (Lukas 2,10) Es mag sein, dass diese Freudenbotschaft es in diesen Zeiten schwer hat, die Ohren und Herzen zu erreichen. Oder ist es nicht genau umgekehrt? Dass uns bewusst wird, dass das Wort von der Freude über das Kommen Gottes in unsere Welt schon damals zu denen gesprochen wurde, deren Leben sonst eher arm an Freuden war. Dass der, der da geboren wird in unwirtlicher Umgebung, gleich danach auf die Flucht gehen muss, der ist, der als Erwachsener zu den Armen, Traurigen und Zerschlagenen, den Mühseligen und Beladenen geht, ihnen die freudige und frohe Botschaft von der Nähe Gottes bringt. Dass Dunkelheit, ob nun in uns oder um uns, das Licht, das vom Kommen Gottes in diese Welt ausgeht, erst richtig erkennen lässt. Dass wir in angstvollen Zeiten erst recht wahrnehmen können, was es heißt, dass das Kind in der Krippe der Immanuel ist, der Gott mit uns alle Tage unseres Lebens. Auch diese, die uns so schwer fallen.
Paul Gerhardt hat die Freude über das Kommen Gottes in besonders schwerer Zeit, kurz nach dem dreißigjährigen Krieg, wunderbar in Worte gefasst:
“Was hast du unterlassen zu meinem Trost und Freud
als Leib und Seele saßen in ihrem größten Leid.
Als mir das Reich genommen, da Fried und Freude lacht,
da bist du, mein Heil, kommen und hast mich froh gemacht.”
“Freude”. Passt also doch, das Wort. Wie gut.
Pastorin Dr. Wiebke Bähnk