Meine Nachbarin hat Geburtstag. In Zeiten von Corona kann ich ihr keinen Strauß frischer Frühlingsblumen schenken. Stattdessen stelle ich ihr mit meinem Geburtstagsgruß ein paar Tütchen mit Blumensamen vor die Tür. Kurze Zeit später ihre Worte per Whatsapp: „Ich freue mich über die Blumenpracht in spe.“ „In spe“ meint das, worauf sich unsere Hoffnung richtet. Dass die ausgesäten Blumensamen aufgehen und die Ringelblumen, Sonnenblumen und Bechermalven im Sommer farbenfroh blühen. Dass unser Gesundheitssystem den Herausforderungen und Belastungen dieser Zeit standhält, die Pflegekräfte, Ärztinnen und Ärzte, alle, die schon jetzt an ihren Grenzen arbeiten, immer wieder genügend Kraft bekommen für ihren Dienst, sich nicht selbst infizieren. Dass es gelingt, durch die Maßnahmen und Regelungen dieser Tage, durch Kontaktsperren, Quarantänen, und durch Vernunft allerorten die Ansteckungszahlen und die Zahlen der Erkrankten und der Toten deutlich zu verringern. Dass die Familien, in denen Großeltern, Mutter oder Vater, Schwester oder Bruder oder ein Kind – denn Covid-19 betrifft lange schon nicht mehr nur ältere Menschen – sterben, in ihrem Leid nicht allein gelassen werden. Und dass es eine Zeit „danach“ gibt, in der wir wieder zusammen im Garten sitzen können, uns auf der Straße begegnen, miteinander face to face sprechen, uns in den Arm nehmen – ohne Ängste.
Hoffnung hat eine große Kraft. Eines meiner Lieblingsgedichte von Rose Ausländer, das in diesen Tagen eine ungekannte Aktualität bekommt, drückt das aus: Wer könnte atmen ohne Hoffnung, daß auch in Zukunft Rosen blühen. Ein Liebeswort die Angst überlebt. Wer die Hoffnung bewahrt, wagt es, über den Horizont zu schauen. Über die Unsicherheiten und über alle Angst hinweg. Und das nicht, um sich einer Illusion hinzugeben oder die Nöte zu ignorieren. Sondern um die Kraft zu haben, selbst die Verantwortung für das zu übernehmen, was jeweils in unseren Möglichkeiten steht. Und das weil wir das Vertrauen haben dürfen, daß der Grund aller Hoffnung in Gott selbst liegt, der uns zusagt: Ich weiß wohl, was ich für Gedanken über euch habe, spricht der Herr: Gedanken des Friedens und nicht des Leides, daß ich euch gebe Zukunft und Hoffnung. (Jeremia 29,11)
Die eigene Verantwortung zu sehen und bewusst zu übernehmen, zu Hause zu bleiben, Abstand zu halten, zugleich Hilfe anzubieten, wie sie in diesen Tagen möglich und nötig ist, kreative und phantasievolle Möglichkeiten für praktische Unterstützung und Zeichen der Zuwendung und Liebe zu leben – und das aus dem Vertrauen heraus zu tun, dass Gott uns Zukunft und Hoffnung geben will. Hoffnung, Verantwortung und Gottvertrauen. All das gehört zusammen. Und schenkt uns zusammen die Kraft, die wir brauchen. Darauf hoffen wir.
Pastorin Dr. Wiebke Bähnk