„Krise“ ist wohl einer der meistverwendeten Begriffe der vergangenen Wochen und Monate. Wir leben in einem Krisenmodus, auch wenn hier und da schon wieder der Versuch einer Art „Normalisierung“ des Alltags unternommen wird. „Krise“ klingt für uns meistens negativ, nach „Verlust“, nach dem, was uns bedroht und ängstigt, was morgen anders und eventuell auch schlechter sein wird als heute. Von seinem Wortsinn her meint „Krise“ aber zunächst eine Zeit, ein Moment, in dem sich etwas entscheidet, in dem unterschieden wird. Z.B. führen Lebenskrisen, eine schwere Erkrankung, ein Burn-Out, ein Verlust nicht wenige Menschen dazu, sich ernsthaft zu fragen, ob sie ihr Leben so weiterleben möchten und können wie bisher. Oder ob eine Veränderung, ein Wandel notwendig, gar lebensnotwendig sind.
Auch die „Corona-Krise“, die wir erleben, lässt sich als eine Zeit der Unterscheidung, der Entscheidung verstehen. Bei nicht wenigen Aspekten unserer Lebensweise ist in dieser Krise deutlich geworden, daß wir so nicht weiterleben können. Besonders gravierend zeigt sich das im Blick auf den Umgang mit Gottes Schöpfung, zu der wir als eines ihrer zahllosen Teile gehören. Nach biblischem Verständnis kommt uns Menschen dabei unter den Geschöpfen eine besondere Verantwortung zu: „Du, Gott, hast ihn, den Menschen, zum Herrn gemacht über deine Hände Werk, alles hast du unter seine Füße getan.“, so heißt es im 8. Psalm. Diese Aufgabe haben wir gehörig mißverstanden: Statt wie ein guter Hausherr oder eine Fürstin, die Verantwortung für ihren Hausstand oder ihren Herrschaftsbereich übernehmen, für das Wohlergehen und das Leben der ihnen Anvertrauten sorgen – das sind die Bilder, die bei dem Psalmvers mitschwingen – , haben wir die uns anvertraute Schöpfung zu unserem Nutzen ausgebeutet, sie mit Füßen getreten und tun es ohne Unterlaß weiter.
Die Übertragung des Corona-Virus wie auch anderer Viren von Tieren auf Menschen hängt unmittelbar mit der gnaden- und maßlosen Zerstörung des Lebensraumes von Tieren zusammen. Das hat diese „Krise“ in aller Deutlichkeit zutage gebracht. Und diese Zerstörung hängt nicht nur, aber wesentlich auch damit zusammen, daß weltweit immer mehr Weideland für immer mehr Schlachttiere gebraucht wird. Und unter welchen grauenhaften Umständen für Menschen und Tiere diese dann geschlachtet werden, auch das können wir schlicht nicht mehr übersehen nach den corona-bedingten Einblicken in die Abgründe der Fleischindustrie bei uns.
Mit der Schöpfung so zerstörerisch umzugehen bedeutet, die Zukunft unserer Kinder und Enkelkinder aufs Spiel zu setzen. Und sie bedeutet, die Würde und das Leben der Mitgeschöpfe mit Füßen zu treten und damit auch unsere eigene. Gottes Auftrag an uns heißt, Verantwortung für das Leben aller Geschöpfe zu übernehmen. Daß wir das viel zu wenig tun, meist gar das Gegenteil – die „Krise“ macht es unmöglich, davor die Augen weiter zu verschließen. Und macht es nötig zu fragen und zu entscheiden: Wie wollen und können wir weiter leben? Wollen wir z.B. überhaupt noch Fleisch essen und wenn ja, wie viel und welches Fleisch soll es sein? Das liegt allein bei uns. Mögen wir aus der Krise als bessere Haushalterinnen und Haushalter Seiner Hände Werk hervorgehen, verantwortungsvoller und liebevoller der Schöpfung gegenüber und allen Geschöpfen Gottes.
Pastorin Dr. Wiebke Bähnk