Rosen liegen auf den bronzenen “Stolpersteinen” für Elisabeth, Daisy und Hermann Abraham in der Kirchenstraße in Itzehoe. Und auch auf den “Stolpersteinen” für die drei anderen jüdischen Familien, die bis zu ihrer Flucht vor den Nationalsozialisten oder ihrer Deportation nach Auschwitz in der Stadt lebten. Heute vor 86 Jahren, am 9. November 1938, werden in der “Reichspogromnacht” jüdische Geschäfte zerstört, Synagogen in Brand gesteckt, Jüdinnen und Juden aus ihren Häusern gezerrt und getötet. Die Diskriminierung wird zur offenen Verfolgung, mündet in die Ermordung von sechs Millionen Juden und anderer ausgegrenzter Bevölkerungsgruppen.
Der 9. November ist als “Schicksalstag” der Deutschen bezeichnet worden. Auch die Ausrufung der Republik 1918 findet an diesem Tag statt. 1989 der Mauerfall. Die Erinnerung an diesem Tag umfasst die menschlichen Abgründe und Verbrechen unserer Geschichte genauso wie Mut, Hoffnungskraft und das “Wunder” gewonnener Freiheit.
Sich zu erinnern ist eine Grundhaltung des jüdischen und christlichen Glaubens. Nach biblischem Verständnis ist damit gemeint, das Geschehene zu vergegenwärtigen. Über das Leid vor Gott zu klagen und für das Gute zu danken. Und nach der eigenen Verantwortung zu fragen, die aus dem Erinnerten erwächst. Vor einem Gott, der alle Menschen “zu seinem Bild” geschaffen, allen damit die gleiche Würde verliehen hat.
Ich lege eine Rose auf die Stolpersteine. Erinnerung darf nicht aufhören. Widerspruch gegen die Forderung zu vergessen und die Saat neuer Ausgrenzung. Und unsere Verantwortung dafür, dass wir das große Gut der Freiheit bewahren und die “unantastbare” Menschenwürde aller, die hier leben.
Pastorin Dr. Wiebke Bähnk