Heute ist Gründonnerstag. Wir denken an das letzte Mahl Jesu mit seinen Jüngern. Nach dem Abendmahl geht er hinaus in den Garten Gethsemane. Dort betet er: Vater, willst du, so nimm diesen Kelch von mir. (Lk 22,39-46) Es ist das Gebet aller Menschen, die Angst haben vor dem, was auf sie zukommt oder auf die, die ihnen nahe sind, die schweres Leid tragen. Wie viele Menschen mögen in diesen Tagen mit diesen oder ähnlichen Worten beten? Nimm den Kelch der Krankheit, des Sterbens, der unerträglichen Entscheidungen – welcher Patient wird versorgt und beatmet, welcher nicht? -, nimm den Kelch der Einsamkeit und Depression, der Angst vor Ansteckung in Seniorenheimen von uns, in Flüchtlingslagern, wo Menschen eng zusammen leben, sich nicht schützen können. In seinem Gebet ist Jesus uns Menschen nahe, zeigt er sich als der, der in allem seinen Geschwistern gleichgemacht wurde (Hebr 2,17). Als der, der unser Leid kennt, unsere Angst, unsere Not. Und durch ihn kennt auch Gott all das.
Dieses Wissen Gottes um uns, daß er uns und unsere Not kennt, ist nicht immer zu spüren. Manches Mal fühlen wir uns gott-verlassen. Und dann wiederum geschieht es, daß wir getröstet werden, spüren und erfahren, daß wir nicht verlassen sind. Auch Jesus erlebt das so: Es erschien ihm aber ein Engel vom Himmel und stärkte ihn, heißt es im Lukasevangelium. Auf einer Federzeichnung Rembrandts aus dem Jahr 1652 ist dieser Engel dargestellt. Zärtlich und behutsam legt er den Arm um Jesus. Kniet sich neben ihn. Sieht ihn an. Und Jesus legt seinen Kopf an die Schulter des Engels. Da, wo die Angst groß ist, ist Gott dennoch nicht fern, erweist sich auf die eine oder andere Weise als Gott allen Trostes. Das ist die Botschaft dieses Augenblicks. Auch wenn das in diesen Tagen sicher anders geschehen muss, als durch einen um die Schultern gelegten Arm.
Auf Rembrandts Zeichnung steht hinter dem Engel ein Kelch. Der Kelch, von dem Jesus bittet, daß er von ihm genommen werde; der Kelch, der an uns vorübergehen möge. Wenn Gott auf die eine oder andere Weise tröstet und stärkt, bedeutet das nicht selbstverständlich, daß der Kelch nicht mehr getrunken werden müsste. Der Theologie Dietrich Bonhoeffer hat gesagt: „An Jesus ist der Kelch vorübergegangen, indem er ihn geleert hat.“ Und zu uns hat er gesagt: „Gott hilft uns nicht am Leid vorbei, aber durch das Leid hindurch.“ Auch wenn wir es uns so sehr anders wünschten: Wir erleben, daß zu unserem Leben so mancher Kelch dazu gehört. Wir hören in diesen Tagen von unzähligen Kelchen. Ein Leben ohne ist uns nicht versprochen. Aber daß wir nicht von Gott verlassen sind beim Leeren der Kelche. Das ist uns wohl versprochen.
Pastorin Dr. Wiebke Bähnk